Verschwiegenheitspflicht
Als Teil des altgriechischen "Eid des Hippokrates" hat die Verschwiegenheitspflicht auch Eingang ins Berufsrecht (§ 5 Berufsordnung der Zahnärztekammer Berlin), ins Zivilrecht (als Nebenpflicht aus dem zahnärztlichen Behandlungsvertrag) und ins Strafrecht (§ 203 Absatz 1 Nr. 1 StGB) gefunden. Verstöße dagegen können eine Schadensersatzpflicht begründen und sogar strafrechtliche Konsequenzen haben.
Die Verschwiegenheitspflicht umfasst „alles“, was jemandem in seiner Eigenschaft als Zahnarzt anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.
Gemeint sind damit insbesondere
- der Umstand, dass überhaupt ein Behandlungsverhältnis zu einer bestimmten Person besteht, bestanden hat oder geplant ist,
- der Name der behandelten Person, ihr Versicherungsstatus, das Alter etc. und natürlich
- Gesundheitsdaten der behandelten Person im engeren Sinne wie Zahnstatus, Mundgesundheit und -hygiene, durchgeführte oder geplante Behandlungen sowie die gesamte Behandlungsdokumentation einschließlich Modellen sowie Röntgenbildern und Aufzeichnungen hierüber.
Die Verschwiegenheitspflicht gilt gegenüber jedem, also insbesondere auch
- gegenüber Familienangehörigen, selbst über den Tod hinaus (Erben sind deswegen nicht automatisch auskunfts- oder einsichtsberechtigt),
- gegenüber nachbehandelnden Kollegen (soweit nicht die vorherige Zustimmung des Patienten oder der Patientin vorliegt, § 7 Absatz 3 BO),
- gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse des Patienten,
- gegenüber privaten Krankenversicherungen, bei der Beauftragung privater Abrechnungszentren mit der Honorarabrechnung und
- gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten.
Eine Weitergabe von Daten ist nur zulässig, wenn der Patient hierzu die Einwilligung erteilt und den Zahnarzt von der zahnärztlichen Schweigepflicht entbunden hat oder eine ausdrückliche Rechtsgrundlage existiert.
Die zahnärztliche Verschwiegenheitspflicht gilt ausnahmslos auch über den Tod des Patienten hinaus.
Der Zahnarzt ist zur Weitergabe von Patientendaten berechtigt, wenn der Patient hierzu die Einwilligung erteilt. Die klassische Form der Einwilligung ist die schriftliche Erklärung des Patienten über die Entbindung von der zahnärztlichen Schweigepflicht. Bei Kindern oder Jugendlichen, die noch nicht einsichtsfähig sind, obliegt es den/dem Sorgeberechtigten, den Behandler von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.
Zu beachten ist, dass die Schweigepflichtsentbindungserklärung einzelfallbezogen zu erteilen ist. Daher Vorsicht: Die allgemeine Formulierung „ich entbinde alle mich behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht“ – ohne Bezug zum konkreten Behandlungsfall und ohne Benennung des Arztes/Zahnarztes – genügt nicht. Daneben rechtfertigt die Schweigepflichtsentbindungserklärung nicht automatisch auch die Herausgabe von Unterlagen. Hier sollte eine ausdrückliche Herausgabevollmacht gefordert werden.
Wichtig: Auch die Weitergabe von Patientendaten an private Abrechnungszentren darf nur nach vorheriger ausdrücklicher Einwilligung des Patienten geschehen.
Keine ausdrückliche Schweigepflichtsentbindungserklärung benötigt der Zahnarzt, wenn er eigene Honoraransprüche gegen einen Patienten durchsetzen oder Schadensersatzansprüche abwehren will. Er handelt dann "zur Wahrung seiner berechtigten Interessen" und ist befugt, die dafür erforderlichen Patientendaten an einen Anwalt bzw. an das entsprechende Gericht weiterzugeben. Eine Zustimmung des Patienten wird er im Regelfall nämlich nicht erwarten können.
In Verfahren gegenüber der KZV oder den Wirtschaftlichkeitsprüfgremien ist eine Schweigepflichtentbindungspflicht nicht erforderlich. Hier sehen die bundesmantelvertraglichen Bestimmungen eine Übermittlungspflicht vor. Gleiches gilt für das vertragszahnärztliche Begutachtungsverfahren (Planungs- und Mängelgutachten). Auch gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ist der Zahnarzt zum Zweck gutachterlicher Stellungnahmen und Prüfungen zur Weitergabe verpflichtet, §§ 275, 276 Abs. 2 SGB V. Eine Einwilligung des Patienten zur Datenübermittlung muss nicht eingeholt werden.
Gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse des Patienten oder einer Unfallkasse besteht dagegen erst einmal keine Auskunftsverpflichtung, wenn nicht der Patient im Einzelfall eingewilligt hat. Die Kasse kann aber im Einzelfall auf Verlangen Auskunft verlangen, soweit es für die Durchführung ihrer Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist. Beispiele sind Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (§ 284 i. V. m. § 295 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) oder Prüfverfahren des Unfallversicherungsträger hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen und Abrechnung von Leistungen (§§ 201 ff. SGB VII).
Meldepflichten können sich außerdem ergeben aus
- dem Infektionsschutzgesetz bzw. der Berliner Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht für Krankheiten und Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG-MeldepflichtV),
- dem KrebsMeldEG Berlin,
- der Strahlenschutzverordnung (§§ 79, 158 StrlSchV),
- dem Strahlenschutzgesetz (§§ 85, 170 StrlSchG),
- dem Betäubungsmittelgesetz i. V. m. § 5b Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und
- dem Personenstandsgesetz (§ 19 PStG).
Ein Zahnarzt ist daher grundsätzlich nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet, wenn er von der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht zum Zwecke der zweifelsfreien Identifizierung einer Leiche zur Auskunftserteilung über Daten eines (mutmaßlich) verstorbenen Patienten aufgefordert wird. Nur ausnahmsweise kann eine Pflicht ggü. einem Rechtsmediziner zur Auskunftserteilung bestehen, wenn die Identität des Verstorbenen bereits geklärt ist und ein Rechtsmediziner Auskunft begehrt (§ 7 Berliner Bestattungsgesetz).
Im Übrigen muss der Zahnarzt abwägen:
- Es kann ausnahmsweise aus dem sog. "Güterabwägungsprinzip" eine Offenbarungsbefugnis des Zahnarztes abgeleitet werden, wenn das Vertrauen des Patienten in die Verschwiegenheit seines Zahnarztes gegenüber einem anderen Rechtsgut geringerwertig ist. Die Auskunftserteilung wäre dann nach § 34 StGB gerechtfertigt (vgl. § 5 Absatz 3 BO).
- Von vorrangiger praktischer Bedeutung dürfte allerdings die sog. "mutmaßliche Einwilligung" des Patienten sein. Es besteht eine Offenbarungsbefugnis für den Zahnarzt, wenn im Einzelfall davon ausgegangen werden kann, dass der Patient mit der Auskunftserteilung einverstanden gewesen wäre. Ob eine solche mutmaßliche Einwilligung eines verstorbenen Patienten vorliegt, muss der Zahnarzt ggf. aufgrund von Indizien entscheiden.