Dokumentationspflicht und Einsichtsrechte
Der Zahnarzt schuldet dem Patienten als vertragliche Nebenpflicht aus dem Arztvertrag die ausführliche, sorgfältige und vollständige Dokumentation der zahnärztlichen Behandlung. Die Dokumentationspflicht des Zahnarztes ist in verschiedenen gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen geregelt (z. B. § 295 Absatz 1 SGB V, § 8 Absatz 3 BMV-Z, § 7 Absatz 1 Berufsordnung der Zahnärztekammer Berlin – BO).
Seit Einführung des Patientenrechtegesetzes und des § 630f BGB schreibt das Gesetz Dokumentationsinhalte vor. Danach ist der Vertragszahnarzt verpflichtet, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papier- oder elektronischer Form zu führen. Änderungen bei den Einträgen dürfen nur erfolgen, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt. Insbesondere ist bei einer elektronischen Kartei eine fälschungssichere Software zu verwenden. Ansonsten kann es für den Zahnarzt beweisrechtlich nachteilig sein, wenn in Streit steht, ob eine dokumentierte Behandlung tatsächlich stattgefunden hat (BGH, Urteil vom 27.04.2021, AZ: VI ZR 84/19).
Die wesentlichen Vorgänge der Behandlung und Maßnahmen sowie deren Ergebnisse sind schriftlich festzuhalten. Hierzu zählen:
- Anamnese Diagnosen (nicht bloße Vermutungen und ungesicherte Befunde)
- Untersuchungen und Untersuchungsergebnisse
- Befunde
- Therapien und ihre Wirkungen
- Eingriffe und ihre Wirkungen
- Einwilligungen und Aufklärungen
Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen. Erbrachte Leistungen sind grundsätzlich entsprechend den Vorschriften der Gebührenordnungen (z. B. BEMA) in den zahnärztlichen Unterlagen aufzuzeichnen. Die einzusehenden Unterlagen sollen dabei verständlich, lesbar und nachvollziehbar sein. Keinen Anspruch hat der Patient allerdings auf Aufschlüsselung der gebräuchlichen Kürzel oder die Erläuterung von Fachbegriffen.
Die Patientenakte ist nach § 630f Absatz 3 BGB für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Der Patient und unter Umständen andere Stellen können Einsicht in die Unterlagen nehmen oder Auskunft verlangen.
Dem Patienten ist auf Verlangen Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren (§ 630g BGB). Originalunterlagen müssen dem Patienten allerdings nicht zum Verbleib ausgehändigt werden. An der Aufbewahrungspflicht und dem Eigentumsrecht ändert sich nichts. Auch Erben oder die nächsten Angehörigen können ggf. ein Recht auf Einsicht in die Unterlagen geltend machen, soweit nicht der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht.
Kostenerstattung für Abschriften der Patientenkartei?
Für Unsicherheit sorgt seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) das Verhältnis des Rechts auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen nach § 630g BGB zum Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO. Nach den Vorschriften des BGB kann für Abschriften der Akte eine Kostenerstattung verlangt werden. Von der Rechtsprechung wird hierbei bislang ein Betrag von 50 Cent pro kopierter Seite als angemessen betrachtet (LG München I, Urteil vom 19.11.2008, AZ: 9 O 5324/08). Nach der DSGVO ist dem Patienten die Kopie über die zu seiner Person in der Praxis verarbeiteten Daten kostenlos zur Verfügung zu stellen. Erst für weitere Kopien kann ein angemessenes Entgelt verlangt werden.
Als Vorreiter beschäftigte sich das Landgericht Dresden mit dieser Frage und verurteilte eine Universitätsklinik zur unentgeltlichen Auskunft über die bei ihr gespeicherten personenbezogenen Patientendaten durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsdokumentationen im PDF-Format (Urteil vom 29.05.2020, AZ: 6 O 76/20). Weitere Gerichte folgten dieser Auffassung.
Zwischenzeitlich hatte der Bundesgerichtshof die Fragen, ob der Auskunftsanspruch gem. Art. 15 DS-GVO nur auf eine Kopie der personenbezogenen Daten des Patienten gerichtet ist oder die Überlassung von Kopien der gesamten Patientenakte umfasst, und ob die DSGVO durch bestehendes nationales Recht – hier die Vorschrift des § 630g BGB - beschränkt werden darf, dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 29.02.2023, AZ:VI ZR 1352/20).
Nunmehr hat der Europäische Gerichtshof am 26.10.2023 entschieden, dass Patienten nach Art. 15 Abs. 3 der DSGVO einen Anspruch auf eine kostenfreie erste Kopie der vollständigen Dokumente, die sich in der Patientenakte befinden, haben (EuGH, Urteil vom 26.10.2023, Az. C 307/22). Die Kosten für jede weitere Kopie dürfen die Ärzte ihren Patienten jedoch weiterhin in Rechnung stellen.
Die DSGVO gilt als Verordnung unmittelbar und geht als europäisches Recht dem nationalen Recht vor. Die Urteile des EuGH sind für alle Gerichte der EU bindend.
Ergänzung: Die Auskunft nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO ist spätestens innerhalb eines Monats zu erteilen; nur im Ausnahmefall kann die Frist um weitere zwei Monate verlängert werden. Der Patient ist in diesem Falle über die Gründe für die Verzögerung zu unterrichten. Bei einer elektronischen Übermittlung ist auf eine rechtssichere Verschlüsselung zu achten.
Patientenquittung
Neben der Einsicht in die Karteikarte kann der Patient nach § 305 Absatz 2 SGB V vom Zahnarzt eine Patientenquittung verlangen. Inhalt dieser Patientenquittung sind die zu Lasten der Krankenkasse erbrachten Leistungen und deren vorläufige Kosten; die genaue Gestaltung ist nicht vorgeschrieben. Für den Fall, dass Ihre Praxissoftware kein Muster für eine Patientenquittung bereithält, orientieren Sie sich gerne an diesem Beispiel.
Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen hat die Krankenkasse gegenüber dem Zahnarzt einen Anspruch auf Auskunft, einen Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsdokumentation nur mit Einwilligung des Patienten.
Auskunftsrechte nach § 100 SGB X und § 294 SGB V
So verpflichten etwa § 100 SGB X und § 294 SGB V den Zahnarzt zur Auskunftserteilung gegenüber den Krankenkassen, wenn es für die Durchführung von deren Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist. Für den Zahnarzt selbst wird im Einzelfall schwierig sein, zu entscheiden, ob die Krankenkasse im Einzelfall eigene, ihr zugewiesene Aufgaben verfolgt oder nicht. Daher empfiehlt sich, wenn eine Krankenkasse ohne nähere Begründung Auskunft verlangt, zunächst weitere Angaben anzufordern, bevor man dem Begehren nachkommt. In manchen Fällen mögen Informationen direkt von der Kasse angefordert werden, obgleich die Prüfung dieses Sachverhalts und die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens der KZV obliegt.
Kein Einsichtsrecht der Krankenkasse
Das Auskunftsrecht der Krankenkasse impliziert aber kein Recht auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen oder auf deren Übersendung (BSG, Urteil vom 23.07.2002, AZ: B 3 KR 64/01). Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung des Patienten.
Oftmals stützt sich die Krankenkasse auf § 66 SGB V und verlangt vom Zahnarzt Auskünfte und Unterlagen unter Verweis auf einen begangenen Behandlungsfehler. § 66 SGB V lautet: "Die Krankenkassen sollen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen." Gemeint sind privatrechtliche Schadensersatzansprüche, insbesondere Schmerzensgeld. Der Wortlaut rechtfertigt, dass die Kasse dem Versicherten/Patienten z.B. Auskunft aus eigenen Akten und Dateien erteilt. Es ergibt sich aber keine gesetzliche Verpflichtung für den Zahnarzt, diesbezügliche Anfragen der Kasse zu beantworten oder Unterlagen zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall wird stets mindestens eine Schweigepflichtsentbindungserklärung des Patienten benötigt.
Nichts anderes gilt für den privaten Krankenversicherer. Dieser hat nur gegenüber dem Patienten als Versicherungsnehmer Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen, nicht gegenüber dem Zahnarzt. Der Patient muss die Unterlagen beim Arzt anfordern und an die Versicherung weiterleiten bzw. eine Schweigepflichtsentbindungserklärung erteilen. Allerdings trifft den Zahnarzt in den Fällen, in denen der Patient seine Zahlungsansprüche gegen die private Krankenversicherung an ihn abgetreten hat, die Obliegenheit, den Patienten zur Angabe der Schweigepflichtsentbindungserklärung zu bewegen und dem Versicherer die Behandlungsunterlagen zukommen zu lassen. Gelingt ihm das nicht, wird er schlimmstenfalls mit einer Zahlungsklage gegen den Krankenversicherer erfolglos bleiben. Besondere Vorsicht gilt auch bei weitergehenden Anfragen, die sich nicht auf medizinische, sondern auf versicherungsrechtliche Aspekte beziehen. Antworten auf diese Fragen könnten eine erhebliche Tragweite haben und unter Umständen dazu führen, dass dem Patienten der Versicherungsschutz versagt wird. Hier könnte sich der Zahnarzt schadensersatzpflichtig machen. Umso entscheidender ist, dass ein ausdrückliches Einverständnis des Patienten und dessen Schweigepflichtsentbindungserklärung vorliegen.
Nach § 7 Absatz 3 BO kann ein vor-, mit- oder nachbehandelnder (Zahn-)Arzt oder begutachtender (Zahn-)Arzt verlangen, dass ihm die erhobenen Befunde überlassen werden und er über die bisherige Behandlung informiert wird. Die vorübergehende Überlassung von Original-Röntgenaufnahmen können Nachbehandler nach § 85 Abs. 3 Nr. 3 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) verlangen.
In jedem anderen Fall der Überlassung von Behandlungsunterlagen und der Erteilung entsprechender Auskünfte an Dritte ist die vorherige Zustimmung des Patienten erforderlich. Der sicherste Weg, um sich rechtlich abzusichern, besteht darin, dass sich vorab vom anfordernden Behandler eine entsprechende schriftliche Herausgabevollmacht und Schweigepflichtsentbindungserklärung des Patienten vorlegen zu lassen. Im Zweifelsfall muss die Aushändigung der Unterlagen verweigert werden oder sollte hilfsweise nur an den Patienten selbst erfolgen, will man nicht seine zahnärztliche Schweigepflicht verletzen und sich damit strafbar machen!